Lebenslauf & Kurzbiographie

1858-1881 Kindheit und Studium

1858
23. März: Ludwig Quidde wird in Bremen als Sohn des Kaufmanns Ludwig August Quidde und seiner Frau Anna Quidde (geb. Cassebohm) geboren.

1877-1881
Studium der Geschichte, Philosophie und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Straßburg und Göttingen.

1881
Fertigstellung der Dissertation „König Sigmund und das Deutsche Reich von 1410 bis 1419. 1. Die Wahl Sigmunds“ in Göttingen.

Mit der Veröffentlichung der Schrift „Die Antisemitenagitation und die deutsche Studentenschaft“ bezieht Quidde Stellung gegen den (studentischen) Antisemitismus in Deutschland.

1881-1894 Quidde als junger Historiker

1881
Quidde wird Mitarbeiter bei der in München ansässigen Edition der Älteren Reihe der deutschen Reichstagsakten .

1882
Heirat mit der aus Königsberg stammenden Musikerin und späteren Schriftstellerin Margarethe Jacobson sowie Übersiedelung nach Frankfurt am Main .

1886
Umzug nach Königsberg, vermutlich auf Wunsch Margarethes und ihrer Familie. Archiv- und Bibliotheksreisen im Rahmen seiner Editionstätigkeit u.a. nach Italien.

1887
Quidde wird außerordentliches Mitglied der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

1888
Quidde gründet die „Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“, die zwischen 1889 und 1895 in insgesamt zwölf Bände erscheint.

1889
Quidde übernimmt die Position des verantwortlichen Redakteurs der Edition der „Reichstagsakten“.

1890
Die erhöhte Arbeitsbelastung als Editor und Herausgeber machen einen Umzug nach München notwendig.

Quidde übernimmt die Leitung des Preußischen Historischen Instituts in Rom und wird zum Professor für Geschichte ernannt. Häufige Reisen zwischen München und Rom.

1892
Eine tiefe Ehekrise bewegt Quidde zur Kündigung seiner Stellung beim Preußischen Historischen Institut in Rom. Er kehrt nach München zurück zur Edition der Reichstagsakten.

1893
Veröffentlichung der anonym erscheinenden Schrift „Militarismus im heutigen Deutschen Reich. Eine Anklageschrift. Von einem deutschen Historiker“. Quidde bringt darin seine demokratisch-pazifistischen Überzeugungen zum Ausdruck und kritisiert den zeitgenössischen deutschen Militarismus.

Erstes parteipolitisches Engagement bei der „Deutschen Volkspartei“.

Quidde organisiert den 1. Deutschen Historikertag in München, von dem er sich eine „Grenzregulierung zwischen Geschichtswissenschaft und Politik“ erhofft.

1894
Quidde veröffentlicht seine Satire „Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahn“, in der Parallelen zwischen dem größenwahnsinnigen römischen Kaiser Caligula und Wilhelm II. hergestellt werden. Obgleich konservative Kräfte Quidde der Majestätsbeleidigung bezichtigen bleibt eine strafrechtliche Verfolgung aus. Die hieraus resultierende gesellschaftliche Ächtung sowie seine Isolierung in der Geschichtswissenschaft beenden allerdings seine Karriere als Historiker und zwingen ihn 1895 dazu, die „Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“ aufgrund ausbleibender Beiträge einzustellen.

1894-1914 Quidde als Pazifist und Politiker

1894
Quidde gründet die „Münchner Friedensvereinigung“, die faktisch als Ortsgruppe der von Bertha von Suttner gegründeten Deutschen Friedensgesellschaft fungiert.

1895
Quidde gründet (und finanziert) die Zeitung „Münchener Freie Presse“, welche der „Deutschen Volkspartei“ (DtVP) fortan als Sprachrohr zur Verfügung steht.

Auf dem Parteitag der DtVP in München ist Quidde maßgeblich an der Erstellung des Parteiprogramms beteiligt. In diesem bekennt sich die DtVP u.a. zu demokratischen Grundsätzen, sozialen und wirtschaftlichen Reformen sowie einer pazifistischen Grundeinstellung.

Mitwirken bei der Gründung des „Verbandes Deutscher Historiker“.

1896
Quidde übernimmt die Leitung des Demokratischen Vereins in München sowie des bayerischen Landesverbandes der „Deutschen Volkspartei“.

Quidde bezeichnet die Stiftung eines Gedenkzeichens auf „Wilhelm den Großen“ (gemeint ist Kaiser Wilhelm I.) als eine „Lächerlichkeit und politische Unverschämtheit“. In der Folge wird er wegen Majestätsbeleidigung angeklagt und zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt.

1901/1902
Quidde wird stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft und übernimmt deren Vertretung auf transnationaler Ebene. In dieser Funktion nimmt er an den Sitzungen des Internationalen Friedensbüros sowie an Weltfriedenskongressen teil (erstmalig 1901 in Glasgow).

1902
Beginn parlamentarischer Tätigkeit auf kommunaler Ebene . Quidde wird in das „Kollegium der Gemeindebevollmächtigten Münchens“ (Zweite Kammer) gewählt.

1905/1913
Engagement für die deutsch-französischen Beziehungen im Rahmen der „deutsch-französischen Zusammenkünfte“ am Rande der Weltfriedenskongresse.

1907
Als Abgeordneter der Deutschen Volkspartei (ab 1910 Zusammenschluss der liberalen Parteien zur Fortschrittlichen Volkspartei) wird Quidde in den bayerischen Landtag gewählt, dessen Mitglied er bis 1918 bleibt. Er gehört der Fraktion der „Liberalen Vereinigung“ an. In dieser Position gibt er u.a. militärkritische Debattenbeiträge.

Mitarbeit in der „Interparlamentarischen Union “, welche bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine bedeutende Rolle in der organisierten internationalen Friedensarbeit einnimmt.
Quidde organisiert den im September stattfindenden Weltfriedenskongress in München.

1913
Auf dem Weltfriedenskongress in Den Haag stellt er den „Entwurf zu einem internationalen Vertrage über Rüstungsstillstand“ vor, der unter Experten große Beachtung findet.

1914
Quidde übernimmt im Mai das Amt des Präsidenten der Deutschen Friedensgesellschaft, welches er für 15 Jahre ausfüllen wird.

1914-1918 Pazifismus in Kriegszeiten

1914
Sein Festhalten an pazifistischen Grundsätzen auch nach dem Beginn der Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg führt zu Quiddes Isolation innerhalb seiner Partei sowie zur Forderung nach der Niederlegung seines Mandats. Englische, französische und italienische Pazifisten indes sind enttäuscht von Quidde, da er keine eindeutige Kritik an der Verletzung der luxemburgischen und belgischen Neutralität durch deutsche Truppen formuliert.

Mitgliedschaft in der pazifistischen Vereinigung „Bund Neues Vaterland“, die über Kontakte zum Auswärtigen Amt versucht, Einfluss auf das Regierungshandeln zu gewinnen und eine schnelle Beendigung des Krieges herbeizuführen.

1915
Quidde wendet sich gegen annexionistische Forderungen und veröffentlicht die Denkschriften „Sollen wir annektieren?“ und „Reale Garantien für einen dauernden Frieden“.

1916
Die repressiven Maßnahmen, denen die deutsche Friedensbewegung seit Kriegsbeginn ausgesetzt ist, werden weiter verschärft und erschweren jedwede Tätigkeit erheblich.

Quidde ist Mitgründer der „Zentralstelle Völkerrecht“, die als Ausweichorganisation der Deutschen Friedensgesellschaft fungiert und zunächst ohne herkömmliche Organisationsstrukturen auskommen soll, um nicht dem militärischen Zugriff ausgesetzt zu sein.

1918-1933 Weimarer Republik

1918
Quidde wird im November zum zweiten Vizepräsidenten des Provisorischen Bayerischen Nationalrates gewählt. Dieser bleibt indes unter der Koalitionsregierung von Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) und Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) unter Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD) weitestgehend politisch bedeutungslos.

1919
Quidde wird für die Deutsche Demokratische Partei in die Deutsche Nationalversammlung gewählt.
Auf der Sitzung der Nationalversammlung am 12. Mai verurteilt Quidde den Versailler Vertrag als mit Grundsätzen des Pazifismus unvereinbar. Er warnt, dass es eine Sicherung des Friedens durch Gewalt nicht geben könne. Diese Position erbringt ihm breite Zustimmung in der Nationalversammlung, stößt allerdings auf Ablehnung innerhalb des sich radikalisierenden deutschen Pazifismus.

1920
Bei der Reichtagswahl vom 6. Juni verliert die Deutsche Demokratische Partei nahezu die Hälfte ihrer Sitze. Quidde, der keinen sicheren Platz auf der Reichsliste hat, verliert damit sein Mandat.

1922
Quidde wird Vorsitzender der neu gegründeten „Deutschen Friedenskartells“, welches als neue Dachorganisation aller deutschen Friedensverbände fungiert.

1923
Quidde sieht sich zunehmend nationalsozialistischen Drohungen und Beleidigungen ausgesetzt. Im „Völkischen Beobachter“ wird regelmäßig gegen ihn und andere Pazifisten gehetzt.

Die Inflation und anschließende Währungssanierung vernichtet einen Großteil des Vermögens Quiddes.

1924
Quiddes Artikel „Die Gefahr der Stunde“ fordert die Reichsregierung zur Beseitigung der „Schwarzen Reichswehr“ genannten paramilitärischen Formationen auf. In der Folge wird er aufgrund einer Anklage wegen Landesverrats kurzzeitig inhaftiert, was international für Irritationen sorgt.

1927
Quidde erhält gemeinsam mit dem französischen Menschenrechtler Ferdinand Buisson den Friedensnobelpreis. Er hält seinen Nobel-Vortrag zum Thema „Abrüstung und Sicherheit“. Das Preisgeld vermag indes nicht Quiddes inzwischen prekäre wirtschaftliche Lage zu lindern.

1929
Quidde tritt von seinem Amt als erster Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft zurück, da diese inzwischen von radikalen Kräften dominiert wird. Die Konflikte innerhalb der deutschen Friedensbewegung führen zur faktischen Auflösung des Deutschen Friedenskartells.

1930
Fusion der Deutschen Demokratischen Partei mit der zum nationalistisch-antisemitischen „Jungdeutschen Orden“ gehörenden „Volksnationalen Vereinigung“ zur „Deutschen Staatspartei“. Quidde, der vor dieser Verbindung ausdrücklich gewarnt hatte verlässt die Partei und ist an der Gründung der linksliberalen und pazifistischen Radikaldemokratischen Partei beteiligt.

1932
Neugründung des Allgemeinen Deutschen Friedensbundes als umfassende pazifistische Dachorganisation durch aus der Deutschen Friedensgesellschaft ausgetretene Ortsverbände. Quidde wird Mitglied des Bundesbeirats.

1933-1941 Exil

1933
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten flieht Quidde nach Genf, wo er bis zu seinem Tod im Exil lebt.

Im Oktober wird Quidde seines Amtes als Leiter der Edition der Reichstagsakten enthoben.
Aus Rücksichtnahme auf seine noch in Deutschland lebende Frau sowie aufgrund des Verbots politischer Betätigung in der Schweiz für Ausländer, muss Quidde seine pazifistischen Aktivitäten zunächst reduzieren. Seine Weigerung, in offene Opposition zum NS-Regime zu treten, wird von anderen Pazifisten kritisiert.

1934
Wiederaufnahme seiner intensiven Tätigkeiten für das Internationale Friedensbüro.

1935
Quidde gründet das Comité de secours aux pacifistes exilés, welches hilfsbedürftige exilierte Pazifisten finanziell unterstützt.

1940
Nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei wird ein Brief Quiddes von 1938 an Dr. Nelböck, dem vormaligen Präsidenten der „Deutsch-Böhmischen Völkerbundsliga“ vom NS-Regime entdeckt. In diesem bezeichnet Quidde die Nationalsozialisten als „eine Bande von Verbrechern, Mördern, Räubern, Brandstiftern und […] bestialischen Folterknechten, dazu Lügnern und Heuchlern […]“. In der Folge kommt es zu einem Ausbürgerungsverfahren, welches mit der Aberkennung von Quiddes deutscher Staatsangehörigkeit endet.

Im Gegensatz zu vielen anderen Pazifisten befürwortet Quidde den Krieg gegen Deutschland, da der Sturz Hitlers anders nicht herbeigeführt werden könne. Er setzt sich außerdem für einen Kriegseintritt der USA ein.

1941
Quidde stirbt am 5. März in Genf.

Basierend auf Holl, Karl: Ludwig Quidde 1858-1941. Eine Biografie. Droste Verlag Düsseldorf, 2007.